Kinderkrippe Trudering: Selbstwahrnehmung
1. Selbstwahrnehmung: Was ist das?
Selbstwahrnehmung bezieht sich auf die Fähigkeit, sich selbst und seine Umgebung bewusst wahrzunehmen. Es geht darum, wie wir uns selbst sehen, unsere eigenen Gedanken und Emotionen verstehen und wie wir auf unsere Umgebung reagieren. Für Kinder in der Krippe ist Selbstwahrnehmung ein wichtiger Aspekt ihrer emotionalen Entwicklung. Wenn Kinder lernen, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu verstehen, können sie besser mit ihren Emotionen umgehen und auch anderen Kindern gegenüber empathischer sein. Ein Mangel an Selbstwahrnehmung kann dazu führen, dass Kinder Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen auszudrücken oder angemessen darauf zu reagieren. Des Weiteren hat die Entwicklung der Selbstwahrnehmung auch einen Einfluss auf das Selbstbild des Kindes.
2. Warum ist Selbstwahrnehmung für die emotionale Entwicklung in der Krippe wichtig?
Die Selbstwahrnehmung spielt eine entscheidende Rolle bei der emotionalen Entwicklung von Kindern in der Krippe. Es hilft den Kleinen, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen und auszudrücken. Durch die Fähigkeit, sich selbst bewusst wahrzunehmen, können Kinder auch besser auf die Bedürfnisse anderer achten und einfühlsamer auf sie reagieren. In der Krippe müssen sich Kinder an neue Umgebungen und Menschen gewöhnen, was Stress verursachen kann. Wenn sie jedoch ihre eigene Wahrnehmung entwickeln, können sie besser mit diesen Herausforderungen umgehen und lernen, ihre Emotionen zu regulieren. Das wiederum führt dazu, dass sie sich sicherer und wohler fühlen und mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben. Daher ist es wichtig, dass Eltern und Erzieher ihren Kindern helfen, ihre Selbstwahrnehmung zu fördern.
3. Die Rolle des Spielens bei der Entwicklung von Selbstwahrnehmung
Ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung von Selbstwahrnehmung ist das Spielen. Durch das Spiel können Kinder ihre eigenen Fähigkeiten und Grenzen erkunden und erfahren, was ihnen Freude bereitet und was nicht. Indem sie verschiedene Rollen einnehmen und interagieren, lernen sie auch, wie sie auf andere wirken und wie andere auf sie reagieren. Dies fördert die Entwicklung von Empathie und sozialer Kompetenz. Darüber hinaus bietet das Spielen eine sichere Umgebung, in der Kinder ihre eigenen Emotionen ausdrücken können, ohne Angst vor Ablehnung. Eltern und Erzieher können das Spiel unterstützen, indem sie eine Vielzahl von Materialien zur Verfügung stellen, die Fantasie anregen und kreatives Denken fördern. Sie sollten jedoch auch darauf achten, dass das Spielen in einer sicheren Umgebung stattfindet und dass alle Kinder respektvoll behandelt werden. Indem Eltern und Erzieher das Spielen als Instrument zur Förderung der Selbstwahrnehmung nutzen, können sie dazu beitragen, dass Kinder zu selbstbewussten und empathischen Erwachsenen heranwachsen.
4. Spielerische Umsetzung im Projekt Selbstwahrnehmung
Das Projekt in Trudering hatte acht Phasen der Selbstwahrnehmung mit zahlreichen Entspannungseinheiten. Zunächst setzte sich Laura mit den älteren Kindern (ab zwei Jahre) an das große Fenster und erzählte ihnen die von ihr erdachte Geschichte vom kleinen Sonnenstrahl, der auf die Erde reiste. Dort angekommen, wärmt er jedes Körperteil der Kinder einzeln – die Füße, den Bauch, die Arme. Die Kinder hielten während der Geschichte jeweils ihre Füßchen, Ärmchen oder den Bauch in die Sonne und nahmen die Wärme wahr. Und dann rieben sie ihre Hände aneinander und wärmten sich gegenseitig den Rücken. Die gegenseitige Berührung für die Kleinen sehr positiv. Danach ging es ums Spüren von weichem Material und die Selbstwirksamkeit dabei, in diesem Fall also Malen mit Rasierschaum. Die Kinder verwandelten den Badezimmerspiegel in ihre Leinwand. Dabei nahmen sie wahr, wie sie den Schaum zerdrücken, wie weich er sich anfühlt und welche Spuren sie damit hinterlassen.
Selbstwahrnehmung spielerisch entdecken
In der nächsten Einheit, die zwei Mal wiederholt wurde, konzentrierten sich die Kinder wieder ganz auf ihren eigenen Körper: Was passiert, wenn eine Feder ihre Füße, ihr Gesicht oder die Hände berührt? Laura Eschenbach ermunterte sie (selbstwirksam) zu entscheiden und zu sagen, wo sie gerne von der Feder berührt werden, und wo es unangenehm oder zu kitzlig ist. Die Kinder wollten dann vor allem an Stellen berührt werden, die sie selbst erreichen konnten: also zum Beispiel an den Händen und an den Beinen. Laura Eschenbach berichtet: „Ich hatte dabei bewusst eine Feder ausgewählt, weil die Kids die Federn sonst nur vom Basteln kennen. Also etwas, das wir benutzen für Königinnenkronen – aber nicht als etwas, das kitzelt oder streichelt.“ Beim ersten Mal waren einige noch zurückhaltend. Beim zweiten Mal hatten sie bereits mehr Sicherheit, um auszuprobieren, was sie mögen und was nicht. Molly, die Kuscheltier-Giraffe, war von Anfang an die Begleiterin von Laura Eschenbach.
Sobald das Wetter es wieder erlaubte, ging Laura Eschenbach mit den Kleingruppen in den Sandkasten. „Die Kinder sind natürlich jeden Tag mehrfach draußen – aber jetzt ging es ja darum, aufmerksam das Material bewusst wahrzunehmen. In der kleinen Gruppe mit jedem Kind einzeln zu sprechen und nachzufragen, wie sich der Matsch und der Sand anfühlt. Auch um es auf Körner und Steinchen aufmerksam zu machen.“ Ihr könnt Euren Atem sehen, fühlen und hören. Im Gegensatz zu diesen rauen Materialien stand dann beim nächsten Mal die Pinselmassage. Diese verglichen die Kinder mit der Feder und Molly. Wieder konzentrierten sie sich genussvoll auf ihre Selbstwahrnehmung – und fühlten in sich hinein.
Selbstwahrnehmung beim Einschlafen
Bei der Atmungsübung schlossen dann die ganz Mutigen sogar die Augen, um sich besser auf sich selbst zu konzentrieren. Jedes Kind hatte bei dieser Übung sein Kuscheltier auf dem Bauch. Sie lauschten auf ihren Atem und spürten, wie sich Kuschel-bär, -giraffe und -hund auf und ab bewegten.
Auf diese vorhergegangenen Erfahrungen baute dann das etwas aufwändigere Erlebnis mit den Fingerfarben auf:
Nach dem Farbenfingerspiel im Morgenkreis (dieses Mal haben die Kleinen mitgemacht) ging es zunächst für Vincent, Olivia und Amelia in das Kurzzeit-Atelier. Aus dem eigentlichen Schlafraum hatte Laura Eschenbach mit Hilfe von Papierleinwänden und Abdeckfolie einen Künstlerraum geschaffen. Die Farbe wartete auf Papptellern darauf, von den Kindern entdeckt zu werden.
Nachdem die Kinder sich im Bad bis auf den Body ausgezogen hatten, staunten sie beim Betreten des Schlafraumes sehr: „Wo sind alle Betten?“, fragten sie mit weit aufgerissenen Augen. Erst als Laura Eschenbach die Modellfunktion übernahm und mit der Hand und dann sogar mit dem Fuß in die Farbe tappte, trauten sich die Kinder auch.
Da momentan in der Krippengruppe die „Meins-Phase“ herrscht, kam bald schon das „Das ist meine Farbe“-Momentum. Da die Auswahl jedoch groß war, hatte bald schon jeder seine Lieblingsfarbe auserkoren. Olivia entschied sich zum Beispiel für Pink und stellte fest: „Auf meiner Haut leuchtet die Farbe viel mehr als auf Deiner.“ Die Erzieherin verteilte die Pappteller dann im Raum und ermutigte damit die Kinder, den gesamten Raum zu nutzen. Amelia war die Erste, die die Farben mischte. Vincent stellte schließlich fest: „Ich habe alle Farben auf der Hand.“
Ergebnis des Projekts
Das Resultat dieser zahlreichen Erfahrungen war für Laura und ihre KollegInnen ein „Wow-Effekt“: „Die Krippenkinder haben nicht nur ihre Selbstwahrnehmung gestärkt. Auch ihre soziale Kompetenz (Anm. d. Red: Basiskompetenz) ist in der Zeit von Ende März bis Ende April enorm gewachsen. Wir merken das daran, dass die Kinder länger und intensiver miteinander spielen – vor allem in den Kleingruppen.“ Und besonders die Schlafsituation hat sich für ErzieherInnen und Kinder entspannt! Laura Eschenbach sagt: „Die Zweijährigen streicheln sich nun selbst am Arm, wenn sie sich spüren wollen. Oder schnappen sich eine Decke und kuscheln sich ein und lauschen auf ihren Atem.“
5. Tipps wie Eltern ihren Kindern helfen können, ihre Selbstwahrnehmung zu entwickeln
Eine Möglichkeit besteht darin, den Kindern Bewegungs- und Sinneserfahrungen zu ermöglichen. Durch das Erleben verschiedener Körperhaltungen und Bewegungen sowie das Entdecken von unterschiedlichen Materialien, Gerüchen und Geschmäckern können Kinder lernen, ihre eigenen Empfindungen besser wahrzunehmen und zu benennen. Auch das Spielen kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Indem Kinder mit verschiedenen Spielzeugen interagieren und sich in verschiedene Rollen hineinversetzen, können sie ihre eigenen Emotionen und Bedürfnisse erkunden und ausdrücken.
Eltern sollten dabei darauf achten, dass sie die Selbstwahrnehmung der Kinder nicht durch ständige Bewertungen oder Korrekturen beeinträchtigen. Stattdessen sollten sie den Kindern Raum geben, um ihre eigenen Erfahrungen zu machen und diese selbst zu reflektieren. Indem Eltern und Erzieher aufmerksam zuhören und auf die Äußerungen der Kinder eingehen, können sie ihnen dabei helfen, ihre eigenen Gefühle besser zu verstehen und auszudrücken.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, den Kindern ein positives Selbstbild zu vermitteln. Indem Eltern und Erzieher das Verhalten der Kinder positiv bestärken und ihnen zeigen, dass sie wertgeschätzt werden, können sie dazu beitragen, dass die Kinder ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Dies wiederum kann dazu führen, dass die Kinder offener für neue Erfahrungen sind und sich besser auf ihre Umwelt einlassen können.
Insgesamt gibt es also viele Möglichkeiten, wie Eltern ihren Kindern dabei helfen können, ihre eigene Wahrnehmung zu entwickeln. Indem sie den Kindern Raum geben, um ihre eigenen Erfahrungen zu machen und ihnen dabei unterstützen, diese selbst zu reflektieren, können sie dazu beitragen, dass die Kinder ein gesundes Selbstbild und eine positive Einstellung zur Welt um sich herum entwickeln.