Schlechtes Gewissen ist ein schlechter Erzieher
Seit 2011 ist Carina nun bei der Wichtel Akademie München. Sie wechselte von der stellvertretenden Leitung in Schwabing am Anfang des Jahres 2015 nach Sendling – wieder als stellvertretende Leitung. Seit Herbst 2016 ist sie nun Leitung der Einrichtung in Sendling. Dazwischen lag ein Jahr Bali. Von dort hat sie auch ihren Hund mitgebracht. In Bali arbeitete sie zwar für eine Tierorganisation – um Kinder und Pädagogik drehte es sich dennoch, denn der Umgang mit Tieren wird im frühen Kindesalter gelehrt. Dabei fielen ihr auch große Unterschiede in der Kindererziehung auf zwischen Indonesien und Deutschland.
Das Ergebnis hat keinen Einfluss auf den Lerneffekt?
„Bei uns lastet sehr viel Druck auf den Eltern“, so Mietaschk. „Die Kinder werden teils überfördert. In Bali verlassen sich die Eltern meiner Meinung nach sehr auf ihre Instinkte und den Forscherdrang der Kinder.“ Dieses Verhalten versucht sie nun auch bei den Krippenkindern in Sendling zu fördern: „Alle Kinder sind kreativ. Durch den tageweisen Verzicht auf Spielzeug lassen wir Erzieher das zu.“ Sie beschreibt wie eine Pfütze und ein Stück Styropor Kinder eine gefühlte Ewigkeit beschäftigen. Lachend fügt sie an, dass die Kinder in Deutschland sich erst zwischen zehn Spielzeugen entscheiden müssten und dann teils so erschöpft seien, dass sie alles weitere langweilig fänden.
Dass aus dem Stück Styropor in der Kinderkrippe kein ganzes Schiff wird, stört Mietaschk überhaupt nicht. „Durch meine Ausbildung (Anm. der Redak.: BA in Bildungswissenschaften / Kommunikationswissenschaften – berufsbegleitend Master in Sozial-Management) habe ich gelernt, dass es eben nicht darum geht etwas zu erschaffen mit den Kindern.“ Sie erklärt: „Der Stiftständer aus einer Klopapierrolle muss eben nicht aussehen wie ein Hase. Denn das Ergebnis hat keinen Einfluss auf den Lerneffekt.“ Das verstünden auch die Eltern, sofern man es begründe und erkläre.
Eltern verwöhnen und bedienen aus schlechtem Gewissen
Für die Kinderkrippe hat sich Mietaschk entschieden, weil hier die größten Entwicklungsschritte passieren. Als schwierig empfinde sie den Kita-Alltag nur, wenn Eltern ein schlechtes Gewissen haben. „Denn dann“, so Mietaschk, „sind die Kinder an Dinge gewöhnt, die wir in der Form nicht leisten können: Schläft ein Kind daheim nur auf dem Arm ein, will es das zunächst in der Kita auch.“ Die ErzieherInnen könnten aber nicht acht Kinder auf den Arm nehmen und das Kind brauche es laut Mietaschk auch nicht. Der Grund liege woanders: „Die Eltern vermissen oft die Nähe zum Kind und schuckeln es darum in den Schlaf.“
Wie viele ihrer KollegInnen, so wird auch Carina Mietaschk in der Kita-Sendling oft gefragt, wie sie mit den Wutanfällen der Kids umgehe. Sie erklärt: „Für ein Kleinkind ist es eine sehr große Leistung aus einem Wutanfall rauszukommen und sich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“ Dafür brauchten die Kinder je nachdem Nähe oder Freiraum. Ein gutes Rezept? „Nicht-Beachtung, aber eben auch ein aufmerksames Gegenüber, das im richtigen Moment eingreift und eine Aufgabe vorschlägt, bei der das Kind gebraucht wird. Die neue Emotion gebraucht zu werden, übertrumpft fast immer die alte“, verrät Mietaschk. Manchmal fehlten zuhause diese Aufgaben: Die Kinder ließen sich füttern und in den Schlaf schuckeln und es fehle ein Ritual oder Stabilität im Ablauf.
Mini-Paten-Show in Sendling
Beim Essen sei es dann sicher verständlich, dass das zuhause nicht so funktioniere wie in der Kita. Denn hier lassen die ErzieherInnen bis zu einem gewissen Alter zu, dass die Kinder die Textur erfassen und sich so mit den Nahrungsmitteln vertraut machen. Aber selbstverständlich sollten Zweijährige nicht mehr mit dem Essen rummatschen und nichts davon essen.
Besonders am Herzen liegt Mietaschk das neu eingeführte Patenprojekt. Hier übernehmen die Größeren (2 ½ bis drei Jahre) die Verantwortung für die Kleineren. Sie holen die Windeln, bringen die Wasserflasche, helfen beim Ausziehen oder decken für die Kleineren den Tisch mit. Dabei sind sie sehr gewissenhaft und stolz darauf eine Aufgabe zu haben und sie gut zu erledigen.
Dass die Krippenkinder ihre Erzieherinnen nach der Kinderkrippen-Zeit meist schnell vergessen, stört Mietschk nicht. Schließlich blieben die lustigsten Dinge hängen: „Neulich stand ich neben einem Drittklässler auf der Straße, den ich schon mit einem Dreivierteljahr betreut hatte. Er benutzt noch heute meinen Lieblingsausruf ‚Holla die Waldfee‘ – apropos: „Holla die Waldfee – ich muss los – den Hund aus der Tagesbetreuung holen!“